Regenschirmmomente

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Wie man schon vielleicht meinem Artikel über die Kinder entnehmen konnte, haben einige Kinder hier ein ernstzunehmendes Gewaltproblem. James führt diese Liste definitiv mit an. Nicht nur, dass er anderen Kindern wehtut indem er kneift oder prügelt, auch gegen uns Mitarbeiter wird des Öfteren die Faust ausgestreckt. Sein Gesichtsausdruck bekommt dann etwas sehr hartes, der Kiefer wird angespannt und seine Augen funkeln böse zu einem hinauf. Am Anfang habe ich dann immer schnell das Weite gesucht. Besonders schlimm ist es, wenn man eins von den kleinen Kindern auf dem Arm hat. Als ich die kleine Suzette auf dem Arm hatte, ist er mit einer Metallstange hinter uns her gelaufen. Kein Mitarbeiter in Sicht, dennoch ein paar von den großen Mädels, die zumindest Abstand zwischen uns gebracht haben. Ich bin mir ziemlich sicher, er hätte uns nicht geschlagen, aber es ist schon sehr beängstigend, einen 10-Jährigen mit einer Metallstange hinter sich herlaufen zu haben. Irgendwann hat er sich dann ein wenig beruhigt und das Weite gesucht.

Wenn James wütend ist, wirft er auch oft, wenn alle Essen, Steine auf den Saal. Zum Glück bestehen die Fenster nur aus einer Art Fliegengitter und nicht aus Glas. Dennoch ist das Ganze sehr laut wenn die Steine das Dach treffen. Manchmal lassen die Mitarbeiter ihn einfach wüten oder einer begibt sich in die Gefahrenzone, um ihn zu besänftigen. Bei den meisten ohne Erfolg.

Bei James denke ich mir immer, was muss dieses Kind in seinem so kurzen Leben Schlimmes erlebt haben damit es solche Verhaltensausbrüche hat.

Seine Ausbrüche sind ein Schrei nach Aufmerksamkeit und Zuneigung. Besonders diese Kinder haben Zuneigung am nötigsten, doch leider fällt es den meisten Menschen schwer hinter diese Fassade zu blicken und ihnen Liebe und Aufmerksamkeit (nicht nur wegen der Wutausbrüche) zu schenken.

Dank eines Regenschirms und ziemlich heftigem Regen wurde mir das bewusst und eine ganz andere Seite von James gezeigt.
Manchmal fängt es hier auf einmal ganz heftig an zu regnen und kann sehr lange dauern. Nach dem Abendessen ging es los und kein Ende in Sicht. Doof, wenn man dann keinen Regenschirm dabei hat. Da Matilda krank war und ich ihr das Essen zu unserem Haus bringen musste, waren das Essen und ich dem Regen schutzlos ausgesetzt. Gerade als ich aus der Hintertür der Küche kam, sah ich James ins Domotory der Kinder mit einem Schirm gehen.

Ich rief seinen Namen und ob ich mir den Schirm leihen könnte. Er kam zurück, hat mir bis zum Haus der Kinder den Schirm gehalten und ihn mir dann gegeben. Ich war so dankbar und habe ihm das immer wieder gesagt. Seit dem Moment hat sich was bei mir und ihm verändert. Mit ist klar geworden, dass James auch andere zuvorkommende Seiten hat, dass ich ihn nicht immer nur mit seinen Gewaltausbrüchen sehen soll. Er hat sich mir gegenüber auch verändert. Vielleicht weil er mir etwas geben konnte und ich ihn gebraucht habe.

Er ist jetzt viel freundlicher, ruft oft meinen Namen und möchte umarmt werden.

Manchmal brauchen wir so kleine „Regenschirmmomente“, die unsere Sicht und damit unser Verhalten verändern.

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